Die nachfolgende Übersicht behandelt weitere fünf Irrtümer, die in der Gesellschaft weit verbreitet sind und die unangenehme Folgen nach sich ziehen können.
Irrtum 6: Der Güterstand von Ehegatten spielt im Erbfall keine Rolle!?
Falsch – Der Güterstand hat sehr wohl Einfluss auf das Erbrecht. Denn lebt das Ehepaar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft – dies ist immer dann der Fall, wenn die Ehegatten nichts anderweitiges durch Ehevertrag geregelt haben -, erbt der überlebende Ehegatte neben Abkömmlingen (Kindern, Enkeln) die Hälfte des Nachlassvermögens. Im Fall der Gütertrennung hängt der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten von der Zahl der miterbenden Kinder ab. Zudem hat der Güterstand von Ehegatten grundsätzlich Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht.
Irrtum 7: Ich muss zum Notar gehen, um ein Testament wirksam errichten zu können!?
Falsch – Der Gang zum Notar ist nicht erforderlich. Ein Testament kann auch ohne Notar errichtet werden. Es ist nach den gesetzlichen Vorschriften nur dann wirksam, wenn es höchstpersönlich und handschriftlich verfasst sowie unterschrieben wird. Außerdem sollten bestimmte Hinweise im Testament – z.B. Zeitpunkt und Ort der Errichtung – nicht fehlen.
Irrtum 8: Habe ich bereits vor dem Tod des Erblassers Auskunftsrechte über den Nachlass, wenn der Erblasser beginnt, wesentliche Teile seines Vermögens zu verschenken oder zu veräußern!?
Nein – Entsprechende lebzeitige Auskunftsberechtigungen werden häufig von Erben wegen enttäuschter Erwartungen als unzweifelhaft angesehen, da erhebliche wirtschaftliche Interessen in Rede stehen. Diese Annahme trifft allerdings nicht zu. Denn der Gesetzgeber will gerade vermeiden, dass es vor dem Tod des Erblassers eine Gefeilsche über das Hab und Gut des Erblassers gibt.
Irrtum 9: Sorgt das Gesetz dafür, dass bei mehreren Erben z.B. Wertpapiere, Grundstücke, Hausrat gerecht aufgeteilt werden!?
Nein – in diesen Fällen wird übersehen, dass die Auflösung der Erbengemeinschaft auf internen Ausgleich gerichtet ist und das Gesetz dabei Konsens und Kooperationen unter den Erben unterstellt. Dies ist in vielen Fällen aber gerade nicht so. Nicht umsonst kursiert unter den erbrechtlichen Beratern das – etwas zynische – Sprichwort: „Versteht Ihr Euch noch in der Familie, oder habt ihr schon geerbt?“
Das Recht der Miterbengemeinschaft kennt prinzipiell nur zwei Alternativen: Einverständliche Verteilung des Vermögens oder Zerschlagung der Nachlassmasse (Verkauf/Versteigerung des Gesamtvermögens und Erlösverteilung).
Fazit: Eine Erbengemeinschaft sollte in den allermeisten Fällen vermieden werden.
Irrtum 10: Muss sich das Kind Zuwendungen in jedem Fall auf seinen Pflichtteil des Elternteils anrechnen lassen?
Beispiel: Der Erblasser F hat seine Ehefrau E als Alleinerbin eingesetzt. Aus der Ehe ist das gemeinsame Kind K hervorgegangen. F hatte dem K bereits zu Lebzeiten ein Seegrundstück im Wert von 800.000,00 Euro zukommen lassen. Eine Anrechnungsbestimmung haben die Beteiligten nicht getroffen. K macht nun gegen seine Mutter E den Pflichtteil geltend. Die E meint, der K müsse sich den Wert des Seegrundstücks auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen.
Nein – Der K hätte sich die Zuwendung nach dem Erbfall nur dann auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müssen, wenn dies ausdrücklich oder zumindest den Umständen nach deutlich erkennbar im Zeitpunkt der Zuwendung erfolgt wäre und diese Erklärung oder Bestimmung dem K auch zugegangen wäre. Da F diese Anrechnungsbestimmung versäumt oder nicht gewollt hat, ist auch eine spätere „Heilung“ nicht mehr möglich. Allenfalls durch einen vertraglichen Erbverzicht zwischen dem Erblasser F und Zuwendungsempfänger K hätte ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden können. Dazu hätte es aber einer Einigung zwischen F und K bedurft. Eine einseitige Bestimmung des F hätte nicht ausgereicht.
Die vorstehende Übersicht behandelt häufig vorkommende Irrtümer des Erbrechts. Die Liste an auftretenden Irrtümern ist sicher nicht abschließend, gibt aber einen Überblick über häufige Fehlvorstellungen, die in der breiten Öffentlichkeit – nach unserer Erfahrung – häufig vorherrschen. Der Beitrag ersetzt selbstredend kein Gespräch mit dem im Erbrecht geschulten Berater.