Der überschuldete Erbe

Es gibt viele Gründe, sich rechtzeitig Gedanken zu machen, an wen man sein Vermögen vererben will. Handlungsbedarf zur Errichtung eines entsprechend formulierten Testaments besteht jedoch immer dann, wenn man verhindern will, dass Gläubiger des Erben im Erbfall auf das vererbte Vermögen zugreifen können. Sollte einer der in Betracht kommenden Erben überschuldet sein oder bereits ein Insolvenzverfahren durchlaufen, sollte man zwingend einen Fachmann mit dem Entwurf eines Testamentes beauftragen.

Erblasser sehen in vielen Fällen Gefahren für den Nachlass, wenn der von ihnen ins Auge gefasste Erbe verschuldet oder gar überschuldet ist. Die Gläubiger des Erben könnten bei Anfall der Erbschaft ihre Forderung durch Zugriff auf den Nachlass befriedigen. Das „Lebenswerk“ des Erblassers droht durch diesen ungewünschten Zugriff Dritter zerstört zu werden.

Beispiel:

Der verwitwete E hat zwei Kinder. Die Tochter T ist „wohlgeraten“ und erfolgreiche Ärztin. Der Sohn S  ist Unternehmer, lebt in Scheidung und hat ständig finanzielle Schwierigkeiten.  Seine Geschäftsidee will nicht recht zünden. Der Vater E hat von Steuerschulden und einem drohenden Verbraucherinsolvenzverfahren beim Sohn gehört. E verstirbt überraschend, ohne ein Testament zu hinterlassen. Die gesetzlichen Erben des E sind somit T und S jeweils zur Hälfte.

Als das Finanzamt von der Erbschaft S hört, pfändet es den Erbteil des S wegen dessen Steuerschulden in Höhe von 150.000 €. Der S kann über seinen Erbteil nicht mehr ohne Zustimmung des Finanzamts verfügen.

Es bestehen wirksame Möglichkeiten, diese Gefahren einzuschränken, z.B. durch ein Testament mit entsprechenden letztwilligen Verfügungen: bei letztwilligen Verfügungen zugunsten Verschuldeter soll der Begünstigte einerseits an der Erbschaft teilhaben, andererseits soll aber verhindert werden, dass Gläubiger auf das zugewandte Vermögen zugreifen können.

Betrachtet man das oben genannte Beispiel, so wird deutlich, dass in diesen nicht unüblichen Konstellationen das zu Lebzeiten des Vaters E erwirtschaftete Vermögen nach dem Erbfall unter Umständen in die Hände familienfremder Dritter geraten kann.

Angenommen, der Sohn S würde das Erbe ausschlagen, um seinen Erbteil vor dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, würde auch dies nur bedingt helfen: ihm würde als Sohn des Erblassers trotz Ausschlagung weiterhin ein Pflichtteilsanspruch zustehen. Die Geltendmachung des Pflichtteils ist zwar eine höchstpersönliche Entscheidung. Es gibt jedoch Konstellationen, wo außenstehende Dritte dieses Pflichtteilsrecht für sich in Anspruch nehmen können: im Rahmen eines Restschuldbefreiungsverfahrens bei einem Verbraucherinsolvenzverfahren ist der Schuldner nach überwiegender Meinung verpflichtet, den Pflichtteil geltend zu machen und die Hälfte des Wertes des Pflichtteilsanspruchs an den Treuhänder herauszugeben, um seine Restschuldbefreiung nicht zu gefährden.

Auch in den Fällen, in denen an den Erben Sozialleistungen erbracht werden, besteht die Gefahr, dass der Sozialhilfeträger auf den Erbanteil des Hilfebedürftigen Erben zugreift.

Der Sozialhilfeträger, der möglicherweise für den behinderten Erben Sozialleistungen erbringt, kann dieses Pflichtteilsrecht nach den entsprechenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs auf sich überleiten. Das gleiche Recht steht dem Sozialhilfeträger bei Beziehern einer Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Beziehern einer Grundsicherung für Arbeitssuchende zu.

Soll der Zugriff von Eigengläubigern des Erben vermieden werden, empfiehlt sich beispielsweise die Anordnung der Testamentsvollstreckung. Denkbar wäre auch, den verschuldeten Erben erbrechtlich zu übergehen und stattdessen andere Personen, etwa seine Abkömmlinge, zu Erben einzusetzen. Um den so übergangenen Erben abzusichern, könnten ihm durch Vermächtnis Gegenstände zugewendet werden, die entweder nicht pfändbar sind (wie etwa das Wohnungsrecht, das nicht einem Dritten zur Ausübung überlassen werden kann) oder deren Pfändung kaum zu befürchten ist (etwa Nießbrauch an Einrichtungs- und Hausratsgegenständen).

Welche Konstellation die richtige ist, muss vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Insbesondere spielen die familiären Verhältnisse und die Frage, wer als Testamentsvollstrecker in Betracht kommt eine große Rolle. Es ist daher dringend anzuraten, sich von einem Fachanwalt für Erbrecht vor der Erstellung des Testaments entsprechend beraten zu lassen.