Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wer nach Ihrem Tod ihren Digitalen Nachlass verwaltet bzw. verwalten darf? Sicherlich nicht.
Wenn schon 80 % der Deutschen ohne Testament versterben, kann man sich ausmalen, wie wenige daran denken, jemand anderen im Todesfall zu legitimieren, z.B. das Facebook-Profil oder online gespeicherte Daten zu löschen. Wem gehört die wertvolle itunes-Musik- oder „App“-Sammlung des Verstorbenen in dessen „icloud“. Sie sehen: in dem Bereich der Vorsorge für Krankheit und Tod, ergeben sich in der Zukunft ganz neue rechtliche Probleme, die hochkompliziert sind.
Grundsätzlich geht mit dem Tod einer Person dessen Vermögen auf eine oder mehrere Personen – die Erben – über. Vererbt werden allerdings nicht die höchstpersönlichen Ansprüche des Verstorbenen wie das Recht am eigenen Bild oder die persönliche Korrespondenz ohne vermögenswerte Bedeutung. Diese Ansprüche stehen unabhängig von der Erbenstellung den nächsten Angehörigen zu.
Doch wie wirkt sich dies auf die Nutzung internetbezogener Dienstleistungen des Verstorbenen aus?
Vererbung einer Domain
Betrieb der Erblasser eine eigene Website, so geht die Domain als vermögenswerte Position auf den Erben über. Der Erbe muss allerdings umgehend das Impressum an die geänderte Inhaberschaft anpassen.
Die Übertragung der itunes-Sammlung
Die itunes-Sammlung ist eine Vermögensposition, die ebenfalls nach den allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen auf den/oder die Erben übergeht. Nach den apple-Bedingungen ist es jedoch nicht gestattet, die Apple ID, das Kennwort oder den Benutzer-Account einer anderen Person ohne die ausdrückliche Erlaubnis und Zustimmung des Eigentümers der Apple ID, des Kennworts oder des Benutzer-Accounts zu verwenden. Also muss der Verstorbene jemand anderem für den Todesfall ausdrücklich eine entsprechende Erlaubnis zur Übertragung des Accounts auf sich erteilen. Wie immer gilt auch hier: am besten schriftlich. Allerdings kann die Übertragung nur auf eine Person erfolgen.
Wem gehören die E-Mails des Verstorbenen ?
Bereits die Frage, wer nach dem Tod eines geliebten Menschen dessen neu beim Anbieter eingehende E-Mails abrufen darf, ist rechtlich problematisch. E-Mails unterfallen grundsätzlich dem Post- und Fernmeldegeheimnis, das durch Artikel 10 unseres Grundgesetzes geschützt wird.
Man kann auf die Idee kommen zu sagen: wenn ich jemandem mein Passwort bekannt gebe, um auf meine E-Mails zugreifen zu können, kann dieser Mensch ja bei meinem Tod an meiner Stelle die E-Mails lesen bzw. erst abrufen. Leider wird dabei übersehen, dass das Post- und Fernmeldegeheimnis auch den Absender der E-Mails schützt. Dieser wird nicht ohne weiteres damit einverstanden sein, dass ein Dritter seine E-Mail liest.
Erfährt ein E-Mail-Provider von dem Tod des Kunden, etwa weil seine Angehörigen keine Zugangsdaten haben und den Provider bitten, diese mitzuteilen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dann das Konto gar nicht mehr abrufbar ist. Die Provider wollen sich vor dem Vorwurf schützen, leichtfertig gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen zu haben. Denn das ist eine Straftat.
Verwaltung von Profilen in Social Networks
Noch undurchsichtiger wird die Rechtslage, wenn es darum geht, Profile eines Verstorbenen in sozialen Netzwerken zu verändern oder gar zu löschen. Dann hat man sich zunächst mit der Frage zu beschäftigen, welche Nutzungsbedingungen der Mitgliedschaft bei facebook, wer-kennt-wenn, Xing oder ähnlichen sozialen Netzwerken zu Grunde liegen und ob dort etwas für den Todesfall des Kunden geregelt ist.
Facebook sieht z.B. vor, dass das Konto des Verstorbenen in einen „Gedenkzustand“ versetzt werden kann, wenn ein Nutzer verstorben ist. Dadurch wird die Privatsphäre so eingestellt, dass nur noch bestätigte Freunde das Profil ansehen können. Die Anmeldeinformationen für das Konto werden jedoch niemandem mitgeteilt – so sehen es die Facebook-Bedingungen vor. Niemand kann das Konto mehr ändern.
Allerdings können „nachgewiesene, unmittelbare Familienangehörige“ die Entfernung eines solchen Kontos bei facebook beantragen. Es ist dort nicht die Rede von Erben, sondern von Familienangehörigen. Doch was passiert, wenn diese sich nicht einig sind ? Der internetaffine Sohn des Verstorbenen möchte alle Bilder, Posts und YouTube-Empfehlungen, die sein Vater jemals gepostet hat, als virtuelles Andenken für die Nachwelt erhalten. Die Ehefrau, der facebook schon immer suspekt war, möchte „diesen Mist“ gelöscht sehen. Und jetzt ? Wer entscheidet ? Der deutsche Nachlassrichter ?
Hier kommt erschwerend hinzu, dass viele Anbieter ihren Sitz nicht in Deutschland haben und sie deshalb auch nicht zwingend an deutsches Recht gebunden sind. Wenn man also mit der vorgegebenen Verfahrensweise nicht einverstanden ist, muss man prüfen, ob man überhaupt in Deutschland und nach deutschem Recht klagebefugt ist.
Lösungsversuche
Es gibt beim Digitalen Nachlass eines Verstorbenen noch viele Probleme, die bislang weder vom Gesetzgeber geregelt noch von den Gericht entschieden worden sind.
Bis dahin bietet sich an, dass man entweder in dem Testament oder in einer gesonderten postmortalen Vollmacht eine Person benennt, die nach dem Tod bevollmächtigt sein soll, für den Verstorbenen den Digitalen Nachlass zu verwalten beziehungsweise die rechtlich relevanten Erklärungen gegenüber den Internet-Dienstleistern abzugeben.
Möglich wäre es zum Beispiel, im Rahmen einer Vorsorgevollmacht eine Vertrauensperson zu benennen und darin festzulegen, dass die Bevollmächtigung für die Verwaltung der digitalen Daten auch nach dem Tod fortdauert. Damit kann man zumindest verhindern, dass es zwischen den Erben zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Denn das letzte Wort liegt dann bei der Person, der der Verstorbene in der Vollmacht beziehungsweise dem Testament die entsprechende Befugnis zugesprochen hat.
Nach der derzeitigen Gesetzeslage ändert dies jedoch nichts an der Problematik, dass auch das grundrechtlich geschützte Post-und Fernmeldegeheimnis des Absenders der E-Mail zu schützen ist. Die Zukunft muss zeigen, wie solche Probleme rechtlich zu lösen sind.