BVerfG: Ungleichbehandlung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern ist verfassungswidrig

Rechtsanwalt Andreas Abel, Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
Rechtsanwalt Andreas Abel, Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht

Eine konsequente Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts: die erbschaftsteuerrechtliche Schlechterstellung der gleichgeschlechtlicher Lebenspartner gegenüber den Ehegatten im persönlichen Freibetrag und im Steuersatz sowie durch ihre Nichtberücksichtigung im Versorgungsfreibetrag verstoßen gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3  des Grundgesetzes. Die Privilegierung der Ehegatten lässt sich nach klarer Aussage des Verfassungsgerichts nicht allein mit Verweisung auf den besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigen (BVerfG 21.7.2010, 1 BvR 611/07 u.a.)

Im Jahr 2001 wurden zwar durch die rot-grüne Regierung das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft vom Gesetzgeber geschaffen. Eingetragene Lebenspartner wurden seither jedoch erbschaftsteuerrechtlich erheblich höher belastet als Ehegatten, weil sie nicht die für Ehegatten geltenden Freibeträge und Tarifsätze anwenden konnten. Diese Ungleichbehandlung hat das BVerfG nunmehr als verfassungswidrig erklärt.

In den beiden vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Rechtstreiten klagte jeweils der überlebende Lebenspartner gegen den gegen ihn ergangenen Erbschaftsteuerbescheid.

Beide Kläger waren der Ansicht, die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt, weil es sich bei Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft gleichermaßen um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft handele. Homosexuelle könnten aufgrund ihrer sexuellen Identität nicht beliebig zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wählen.

Das BVerfG gab den Klägern Recht und stellte fest, dass die erbschaftsteuerrechtliche Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten im persönlichen Freibetrag (§ 16 ErbStG a.F.) und im Steuersatz (§§ 15, 19 ErbStG a.F.) sowie durch ihre Nichtberücksichtigung im Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG a.F.) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind.

Nicht die Befugnisse des Staates, in Erfüllung seiner grundgesetzlichen Schutzpflicht für Ehe und Familie tätig zu werden, sondern allein der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG entscheidet nach Maßgabe der vom BVerfG hierzu entwickelten Anwendungsgrundsätze darüber, ob und inwieweit Dritten, wie hier den eingetragenen Lebenspartnern, ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einer gesetzlichen oder tatsächlichen Förderung von Ehegatten und Familienangehörigen zukommt.

Die unterschiedliche Freibetragsregelung ist auch nicht aufgrund einer höheren Leistungsfähigkeit erbender Lebenspartner gerechtfertigt. Denn sie leben wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft, partizipieren bereits zu Lebzeiten am Vermögen ihres eingetragenen Lebenspartners und erwarten, den gemeinsamen Lebensstandard im Falle des Todes eines Lebenspartners halten zu können.

Sofern dem Erhalt der Erbschaft durch den Freibetrag für Ehegatten unterhaltsersetzende Funktion sowie eine Versorgungswirkung zukommt, gilt dies auch für Lebenspartner.

Die Ungleichbehandlung ist schließlich auch nicht dadurch legitimiert, dass grundsätzlich nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen können. Das geltende Recht macht die Privilegierung der Ehe bzw. die Höhe des Freibetrags für Ehegatten gerade nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig.

Deshalb fehlte es sowohl für die gänzliche Nichtberücksichtigung der Lebenspartner beim Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG a.F. als auch hinsichtlich der Zuordnung zur Steuerklasse III mit den höchsten Steuersätzen an ausreichenden Differenzierungsgründen.

Der Gesetzgeber hat jetzt bis zum 31. 12. 2010 eine Neuregelung für die vom ErbStG a. F. betroffenen Altfälle zu treffen, die diese Gleichheitsverstöße in dem Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16. 2. 2001 bis zum Inkrafttreten des ErbStRefG vom 24. 12. 2008 beseitigt. Denn nach geltendem Recht werden eingetragene Lebenspartnerschaften Eheleuten bereits insoweit gleichgestellt, als der persönliche Freibetrag sowie auch der Versorgungsfreibetrag für erbende Lebenspartner und Ehegatten gleich bemessen werden.

Allerdings werden eingetragene Lebenspartner weiterhin wie entfernte Verwandte und Fremde mit den höchsten Steuersätzen besteuert.

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Jahressteuergesetz 2010 vom 22.6.2010 ist eine vollständige Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht – also auch in den Steuersätzen – beabsichtigt.